17_Unsere Verlobung

Am Jungesberg war ich gern gesehener Gast. So verbrachten wir die Wochenenden fast ausschließlich in Gmunden. Mit Ingrids Mama verstand
ich mich ohnehin sofort. Mit ihr konnte man sich nur gut verstehen. Sie war eine total herzliche und ebenfalls sehr gläubige Frau, die immer um das Wohlergehen der anderen bemüht war und sich selber bescheiden zurück stellte – genau wie Ingrid. Sie gab mir von Anfang an das Gefühl, ein willkommener Schwiegersohn zu sein.

Dem Papa von Ingrid konnte ich das nicht so direkt anmerken, aber es gab nie irgend eine Art von Unstimmigkeit. Er war eher so der Typ „ihr müsst selber wissen, was ihr tut“. Ich denke, ich war ihm auch von Anfang an ein von Herzen willkommener Schwiegersohn. Die Generationenkonflikte am Jungesberg berührten uns nur ganz am Rande und moralisiert wurde im Elternhaus von Ingrid überhaupt nicht. Mir schien damals, ihre Eltern hatten grenzenloses Vertrauen zu Ingrid, was mich sehr faszinierte. Genauso gut könnte es natürlich gewesen sein, dass über manche Themen einfach aus Hilflosigkeit nicht geredet wurde.

Verlobt haben wir uns am 1. Mai 1990 bei Sonnenaufgang am höchsten Punkt des Flachbergs. Das war nach außen hin ziemlich unspektakulär,
aber für uns das Größte! Es gab da weder einen Antrag, noch einen Ring. In dem Bewusstsein, dass unserer Liebe nichts gefährlich werden konnte, gab ein Wort das andere, bis wir aus unendlicher Begeisterung füreinander beschlossen, zu heiraten. Wir waren sooo glücklich. Ich hätte Luftsprünge machen können, vor lauter Freude!

Dass wir noch gar nicht so lange ein richtiges Liebespaar waren, störte uns nicht. Wir waren uns einfach beide absolut sicher (und behielten bis heute Recht)! Nach 35 Jahren Ehe sage ich mit unbeschreiblich großer Freude, „es war mit Abstand die beste Entscheidung, die wir je getroffen haben“.

Wir konnten unser Glück kaum fassen und teilten unsere Verlobung gleich Ingrid’s Eltern mit. Wir wollten im September 1990 heiraten. Mama strahlte mit ihrem schönsten Lächeln und schlug freudig die Hände zusammen. „Ja schön, dann braucht ihr nicht noch einen Winter hin und her fahren“, meinte sie ganz praktisch und liebevoll. Es war, als hätte sie schon auf diese längst überfällige Mitteilung gewartet. Papa holten wir aus dem Bett, weil wir gleich anschließend noch nach Taufkirchen fahren wollten. Er war noch ziemlich verschlafen und irgendwie waren wir uns im ersten Moment gar nicht sicher, ob er unsere Botschaft wirklich verstand. Er sagte „mir ist es Recht“ und verschwand ziemlich schnell wieder im Schlafzimmer. Für seine nüchterne Reaktion entschuldigte er sich später sogar. Er war wohl wirklich noch etwas verschlafen.

In Taufkirchen angekommen, trafen wir als erstes im Esszimmer meine Mama an. Als wir ihr offenbarten, dass wir heiraten wollen, brach sie in
Tränen aus, weil sie gerade auch ein paar andere Dinge zu verarbeiten hatte und mit ihren Nerven völlig am Ende war. Der Freund von Gerlinde verunglückte vor Kurzem, bei Fredi bestand Verdacht auf Tuberkulose,… Dennoch rechneten wir mit vielem, aber damit nun wirklich nicht.

Etwas nervös gingen wir zu Papa in den Hof hinaus und überbrachten ihm die selbe Nachricht. Er lächelte uns an und stellte gleich allerhand
praktische Fragen zu unserem geplanten Fest. Für ihn war unsere Heirat offensichtlich OK. Aufgrund der bisherigen Reaktionen waren unsere
Erwartungen ja nicht mehr allzu hoch, aber mich konnte zu diesem Zeitpunkt ohnehin nichts mehr verunsichern.

Jetzt war endlich Klarheit geschaffen. Das hatte auch zur Folge, dass sich das Verhältnis zu meiner Mama deutlich verbesserte. Den letzten größeren, nein, kleineren Disput seit nunmehr 35 Jahren gab es bei unseren Hochzeitseinladungen. Mama war der Meinung, dass wir ihre gesamte, riesige Verwandtschaft, den Kirchenchor, die Arbeitskollegen von Papa, etc. einladen mussten. Ich wollte das nicht, habe aber irgendwann um des Friedens willen nachgegeben. Schließlich ließen wir 400 Einladungen drucken und haben dann nochmals 50 nachgedruckt, weil Mama immer wieder jemand einfiel, der unbedingt eingeladen werden musste.

16_Wieder daheim

Am 8. April fuhr Ingrid von St. Anton nach Hause. Nun war sie wieder in ihrer alten, gewohnten Umgebung, in der sie sich sicher fühlte. Diese für sie wirklich harte Zeit der letzten vier Monate war endlich geschafft. Wir konnten uns jetzt öfter treffen.

Nach den vielen Liebesbriefen, die wir fast täglich zwischen St. Anton und Taufkirchen hin und her schickten, begann nun ein neues Kennenlernen. Für Ingrid war das mit sehr viel Unsicherheit verbunden, während ich uns schon vor dem Traualtar sah. In einem Brief am 24. April schrieb sie mir unter anderem:

  • „… ich könnte dir sagen, dass ich Dich liebe, dass es schwer ist, ohne Dich. Ich könnte dir allerhand vormachen mit Beteuerungen und Beweisen. Aber dafür liebe ich Dich zu sehr. Danke, dass Du Dir Zeit nimmst, mich kennen zu lernen…“
  • „weißt Du, ich begreife jetzt, dass wir der Liebe nicht nachhelfen können. Sie muss ganz langsam wachsen wie ein Baum, wenn sie stark
    und gesund sein soll.“
  • „ich weiß, dass du Angst vor dem Wort „Trennung“ hast und doch ist es gut darüber zu reden. Ich glaube, wir würden uns gefangen fühlen,
    dürften wir nicht darüber reden. Unsere Beziehung ist noch so am Anfang und alles ist noch offen.“

Unsere Liebe langsam wachsen lassen, damit konnte ich gut leben. Die Zweifel von Ingrid waren eingebettet in Liebesbekundungen und Komplimente. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine Angst mehr, Ingrid noch zu verlieren. Es brauchte einfach nur noch ein bisschen Zeit, wie alles, seit Beginn unserer bzw. besser gesagt meiner fast vierjährigen, zum Teil einseitigen Romanze. Ich war mir sicher: „Jetzt kann unserer Liebe nichts und niemand mehr gefährlich werden“.

15_St. Anton, entfesselte Gefühle

Am 25. Dezember 1989 nahm ich wieder einmal meinen ganzen Mut zusammen und schrieb Ingrid folgendes:

Liebe Ingrid!
So weit Du auch weg bist, ich denke trotzdem oft an Dich. Ob Gmunden oder St. Anton, Du kannst Dir gewiss sein, dass ich immer an Dich denke
und auch für Dich bete. Ingrid, ich mag Dich wirklich sehr. Ich darf Dir sagen, dass ich Sehnsucht nach Dir habe…
Weißt du, wonach mir jetzt zumute ist? Ich würde mich am liebsten gleich ins Auto setzen und nach St. Anton fahren…

Die drei Tage, bis von Ingrid eine Antwort kam, waren unendlich lang. Ihr Brief ist noch gerade rechtzeitig vor dem Silvestertreffen angekommen, bei dem ich diesmal schon als Gruppenleiter eingeteilt war.

Lieber Walter!
Ich liege im Bett – und das Buch, in dem ich grad gelesen habe, hat mich jetzt voll animiert, dir zu schreiben. Eigentlich gibt es gar nichts
Triftiges, das ich Dir erzählen müsste. Aber allein schon das „an Dich denken“ trägt mich in eine andere Welt, in meine Welt. Ja, und ich
denke sehr gern und oft an Dich“…

„Na, ja, „nichts Triftiges“ und doch denkt sie sehr gerne und oft an mich?“ Auf der dritten Seite kam dann noch eine Geschichte über eine Blume, in die ich mit etwas mehr Sicherheit hineininterpretieren konnte, dass Ingrid auch tiefere Gefühle für mich hatte. Ich war schon überglücklich, dass sie mich mit meinen Gefühlen nicht ablehnte. Trotz ihrer Zaghaftigkeit war es ein Schritt nach vorne.

Jetzt ging es erst einmal zum Silvestertreffen nach Stadl. Gleich am ersten Tag hielten wir unseren persönlichen Jahresrückblick. In der ersten freien Minute, die sich mir bot, setzte ich wieder zu einem Brief an Ingrid an. Ich musste den Beziehungsstatus zwischen uns jetzt endgültig klären.

Liebe Ingrid!
Danke für jede Stunde, jede Minute, die ich mit dir in diesem Jahr verbringen durfte. Wenn ich so im Stillen zurückdenke, so fühle ich mich wie der
glücklichste Mensch der Welt. Du warst und bist für mich der Mensch, der mir am meisten bedeutet. Ich möchte dir jetzt ganz frei sagen, dass ich dich
liebe, mehr als alle anderen…

„Diese faszinierende, junge Frau macht mich fertig“, dachte ich mir, als ihre Antwort kam. Mit keinem einzigen Wort ging sie auf meine Liebeserklärung ein. Ingrid schrieb mir genauso lieb wie immer, hat mich weder abgewiesen, noch hat sie sich einen Schritt
nach vorne gewagt. „Hat sie meinen Brief vielleicht noch gar nicht bekommen? Kann nicht sein, sie hat sich ja auf meinen Jahresrückblick
bezogen“.

Zum ersten mal als Gruppenleiter bei diesem Silvestertreffen dabei zu sein, gab mir genügend Selbstbewusstsein, um auf die einen oder anderen Probleme einzugehen, die bei den jugendlichen Teilnehmern da waren. Isolde lud mich in der Silvesternacht zu einem nächtlichen Spaziergang ein, der letzten Endes bis halb fünf Uhr in der Früh dauerte. Es ging vorwiegend um das schwierige Verhältnis zu ihren Eltern. Da war schnell eine Verbindung zwischen uns, weil ich ein guter Zuhörer war und auch meine Erfahrungen einbringen konnte. Und jetzt kommts: Isolde schrieb mir unmittelbar nach diesem Silvestertreffen einen Brief, in dem sie mir gestand, dass sie sich in mich verliebt hat!

„Boah! Das überfordert mich jetzt echt! Verliebt in MICH?“„Isolde ist mir sympatisch, sodass tat sächlich etwas aus uns werden könnte. Ich
kann mit ihr ähnlich gute Gespräche führen, wie mit Ingrid. Aber was ist nun mit Ingrid? Bis jetzt habe ich kein wirklich eindeutiges
Zeichen von ihr, dass sie mit mir zusammen sein will! Was mach ich bloß?“

Ich entschied mich, mit Ingrid weiterhin so offen zu sein, wie bisher und schrieb ihr von Isoldes Brief. Ihre Antwort war folgende:
„…was du da über Isolde schreibst, macht mich sehr betroffen – und fast ein bisschen schuldig. Ich kann mich sehr gut in ihre Situation
hineindenken – und mir wird kalt dabei. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich Dir, nein, eher ihr im Weg stehe. Dass sie so viel Hoffnung in Dich legt, dass sie in Dir so viel Ideale sieht, dass sie Dich liebgewonnen hat… und ich bin diejenige, die ihr all das zerstört. Und darum bitte ich Dich wirklich, dass Du so handelst, wie Du es für gut und richtig hältst – ohne Rücksicht auf mich. Ich tue mir schwer, das so auszudrücken und zu schreiben wie ich es meine; ich kann nur hoffen, dass Du mich richtig verstehst. Ich möchte weder Dir, noch Isolde weh tun.“

„Wie kann ein Mensch so ein großes Herz haben?“, dachte ich mir, als ich diese Zeilen von Ingrid las. Und trotzdem ließ sie wieder einmal alles offen. Lieber wäre mir gewesen, wenn sie in Tränen ausgebrochen wäre und mir endlich klar und unmissverständlich geschrieben hätte, dass sie ebenso in mich verliebt ist, wie ich in sie und dass sie ohne mich nicht mehr sein wollte. Ich kann nicht sagen, dass ich für Isolde nichts empfunden hätte. Mein Herz war aber eindeutig bei Ingrid. Hätte ich mich nun anders entschieden, weil mir Isolde sicherer war als Ingrid, hätte ich mich selbst verleugnet. Wir hatten bereits eine 4 Jahre lange gemeinsame Geschichte, in der es unendlich viele scheinbare Zufälle gab, die uns immer wieder zusammen führten. Ich war mir zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich sicher, dass Ingrid meine Lebenspartnerin sein sollte.

Kurz darauf besuchte ich Ingrid in St. Anton, das erste Mal noch gemeinsam mit Rosi Doblhammer, einer gemeinsamen Freundin. Sie gab mir Sicherheit und hatte trotzdem so viel Taktgefühl, dass sie uns einen Spaziergang zu zweit zugestand. Beim Verabschieden küssten Ingrid und ich uns zum ersten Mal! Es war ein unbeschreiblich schönes Kribbeln, die weichen Lippen von Ingrid zum ersten mal zu spüren! Die lange Reise für den einen Nachmittag zahlte sich also voll aus!

Ende März besuchte ich Ingrid noch ein zweites Mal – zu ihrem 22. Geburtstag. Ich brachte ihr einen selbstgemachten Schüttelkuchen und 22 rote Rosen mit. Ingrid freute sich riesig über meinen Besuch und war voller Stolz, als sie mich bei ihrer Kollegin und den Hotel-Chef’s mit den Rosen in der Hand vorstellte. Da konnte ich richtig beeindrucken 🙂 Total gut gefiel mir auch die neue Frisur von Ingrid. Sie war nun innen wie außen perfekt für mich!

Unsere Briefe wurden noch intensiver und länger. Der längste Brief von Ingrid umfasste 21 handgeschriebene A4-Seiten. Wir schrieben so oft, dass sich die Briefe am Weg zwischen Taufkirchen und St. Anton kreuzten. Einmal die Woche telefonierten wir aus der Telefonzelle. In den meisten Telefonaten ging eine 100 Schilling-Wertkarte drauf.

“Ich habe mich in dich verliebt,
ohne wirklich zu wissen, wer du bist.
Mein Herz sagt nur, du bist dieser eine Mensch für mich.”

14_War es doch mehr als Freundschaft?

Im Februar 1988 endete meine Lehrzeit. Ich musste mich entscheiden, ob ich wieder ganz nach Taufkirchen ziehe, oder in Gmunden bleibe. Einziges Kriterium für mich war, ob aus Ingrid und mir ein Paar werden könnte. Eigentlich wäre es logisch gewesen, Ingrid zu diesem Zeitpunkt
meine Liebe zu gestehen. Nach dem Gebetskreis in der Kösselmühlgasse wanderte ich mit ihr stundenlang durch die Dunkelheit der Gmundner Altstadt, um zu einer Entscheidung zu kommen. Ingrid und ich wogen alle möglichen Argumente ab, nur worum es wirklich ging, traute ich
mich ihr nicht zu sagen. Ich erhoffte mir zumindest ein inniges „du wirst mir fehlen“, was leider nicht kam.

Traurig und bedrückt über meine Unfähigkeit, Ingrid meine Liebe zu gestehen, ging ich also zurück nach Taufkirchen. „Der Traum mit Ingrid ein
Paar zu werden, ist endgültig zerbrochen“, dachte ich mir. Im Juni 1988 trafen wir uns jedoch unerwartet bei einem christlichen Jugendtreffen,
worauf mir Ingrid einen Brief schrieb, der mich total aufwühlte.

„es hat mir mit dir gestern ganz arg getaugt“,
„ich zehre heute noch von unserem Zusammensein“,
„ich freue mich auf das nächste Treffen“

Dennoch war es eine andere Art von Liebe als die, die ich mir wünschte. Ingrid verkörperte für mich die reine, göttliche Liebe. „Sie schrieb anderen mit Sicherheit genau so schöne Sätze“, dachte ich mir. Umso länger ich sie kannte, umso klarer wurde mir, dass sie für mich unerreichbar war und dass ich Ingrid über die freundschaftliche Ebene hinaus nichts geben konnte. Mir wurde schmerzlich bewusst, dass ich für sie nicht interessant sein konnte.

Im August 1988 trafen wir uns dann bei einem Gottesdienst von Franz Schobesberger in Brunnenthal. Ruth, Sunny und Robert waren mit Ingrid
unterwegs. Gemeinsam machten sie noch einen kurzen Abstecher zu uns nach Hause. Das war nicht ungewöhnlich, weil Ingrid von den Messen ja auch meine Eltern, sowie Fredi und Anneliese kannte. Als unsere Gäste mit Ingrid’s Auto den Heimweg antreten wollten, versagte plötzlich das Getriebe ihres Simca’s. Es ließ sich kein Gang mehr einlegen. Ingrid hatte am nächsten Tag Dienst im Pflegeheim und auch die anderen mussten nach Hause. Die einzige Möglichkeit war, dass ich sie mit Papa’s Opel Ascona, der ausreichend PS hatte, abschleppe. Ingrid fuhr nach 500 Metern schon zum zweiten Mal auf’s Seil, sodass es augenblicklich riss. Sunny erklärte sich bereit, mit Ingrid’s Simca zu fahren und Ingrid kam zu mir nach vorne in den Ascona. Mit knapp 50 km/h bei dunkler Nacht mit Ingrid von Taufkirchen nach Gmunden zu fahren, entfachte meine schon fast vergessen geglaubten Gefühle wieder voll. Wir hatten unendlich viel zu reden und ich genoß die Zweisamkeit mit Ingrid total. Als wir gegen 4 Uhr früh bei Ingrid zu Hause ankamen, war ich so müde, dass ich vor der Rückfahrt ein paar Stunden schlafen musste. Ingrid richtete mir auf dem Boden, unmittelbar neben ihrem Bett einen Schlafplatz. Ich weinte mehr, als ich schlief, weil ich wieder eine Gelegenheit verpasste, Ingrid meine Liebe zu gestehen. Es waren Tränen der Verzweiflung, von denen Ingrid nichts mitbekam. Am nächsten Morgen startete Ingrid ihr Auto, um nochmals zu prüfen, ob sich tatsächlich kein Gang einlegen lies. Wie durch ein Wunder funktionierte das Auto wieder einwandfrei. Es musste hinterher schon etwas repariert werden, aber dass es genau zu diesem Zeitpunkt streikte und anschließend wieder fahrtüchtig war, gab mir echt zu denken und Hoffnung, dass doch noch etwas aus uns werden könnte. Schließlich gab es ja auch so etwas wie Vorsehung 🙂

Der nächste Brief von Ingrid kam Anfang September 1988. Darin war eine Einladung zu einer Heubodenparty mit allen ihren Gebetskreis- u. Seminarfreunden enthalten. Wir waren um die 15 Leute und platzierten uns nach gemeinsamer Wanderung und Grillen mit unseren Schlafsäcken am Heuboden. Irgendwie gelang es mir, meinen Schlafsack unauffällig neben Ingrid zu platzieren. Bis 4 Uhr früh wurde an allen Ecken und Enden des Heubodens geblödelt und gelacht, obwohl andere schlafen wollten. Nun war ich endlich so weit: „Du Ingi, ich muss dir ganz was Wichtiges sagen“. Im selben Moment schrie Sepp von ganz hinten genervt nach vor: „Jetzt haltet endlich mal die Klappe, ich will schlafen“. Und wieder war die Chance dahin, Ingrid meine Liebe zu gestehen. Vielleicht hatte der Aufschrei von Sepp aber auch einen ganz anderen Grund. Er hätte es sich nämlich auch auf Ingrid gestanden, wie sich später herausstellte.

Unser Briefverkehr wurde nach dieser Party wesentlich intensiver. Ich zitiere aus Ingrid’s Briefen:

  • „Immer mehr darf ich erkennen, welch ein Segen es ist, Dich kennen zu dürfen“
  • „So, und wenn Du nichts dagegen hast, werde ich Dir nun ein Kompliment machen: Mir taugt Deine so herzliche Einfachheit; deine Art,
    wie Du mit Menschen umgehst; und ich freu mich ganz arg, dass Du ein echter Jünger Jesu sein willst, mit allem Ernst und mit Konsequenz. Du bist einfach super!“
  • „Du gehörst zu den Menschen, die diese Erde lebenswert machen“
  • „Danke für die Zeit, die ich mit dir verbringen durfte“
  • „es tut so gut zu wissen, dass es jemanden gibt, den man mag, dem man vertrauen kann – auch, wenn dieser weit weg ist. Danke! Und trotzdem ist
    nur der Gedanke daran wie ein Stückerl Heimat und ich spüre Wärme in mir.“

Trotzdem wusste ich, dass diese Zeilen von Ingrid immer noch rein freundschaftlich gemeint waren. Aus gesundheitlichen Gründen musste Ingrid ihren Beruf im Pflegeheim aufgeben. Kurzfristig und überraschend teilte ihr das Arbeitsamt einen Saisonarbeitsplatz in St. Anton am Arlberg als Zimmermädchen zu. Ingrid wollte sich am Vortag noch von einigen ihrer Freunde aus Schärding verabschieden. Sie war bei Franz Schobesberger, Rosi Dobelhammer und anderen. Mich besuchte sie als letztes. Wir machten einen ausgiebigen Spaziergang in eisiger Kälte. Das gab uns die Gelegenheit, uns gegenseitig die Hand in meiner Jackentasche zu wärmen. Nervös und nur halblaut sagte ich ihr, „du wirst mir fehlen“. Aber es half ja nichts. „Wie soll das weitergehen? Wir sind für die nächsten 4 Monate 340 km voneinander entfernt und womöglich bleibt sie dann für immer in St. Anton. Jetzt ist es wohl endgültig vorbei“, dachte ich traurig.

„Was du liebst, lasse frei.
Kommt es zurück, will es bei dir bleiben.“

13_Die Jugendgruppe Rutzenmoos

Über den Gebetskreis entwickelten sich freundschaftliche Kontakte zur Jugendgruppe in Rutzenmoos. Helga erzählte, dass sie immer schon mal
nach Medugorje fahren wollte. Ich sagte drauf, „ich auch, wer ist dabei?“ Es schlossen sich ganz spontan noch zwei weitere Mädchen
an (Eva und Andrea) und zwei Wochen später fuhren wir los. Gedopt mit 2 großen Tassen des stärksten Filterkaffees, den ich mit unserer alten Kaffemaschine kredenzen konnte, starteten wir um 2 Uhr früh. Die 900 km fuhr ich fast in einem Stück durch.

Der Aufenthalt in Medugorje war kurz und unspektakulär, eher enttäuschend würde ich sagen, weil in diesen zwei Tagen abgesehen von den großen Menschenmassen dort kaum was los war. Sprachlich gelang es uns auch nicht, irgendwie anzudocken. Wir hatten trotzdem eine schöne Zeit und ich genoss es mit den drei Mädchen unterwegs zu sein. Beim Heimfahren besuchten wir unter anderem den Plitvice Nationalpark, sprangen ab und zu ins Meer und bekamen in der fremden Kultur allerhand zu sehen. Geschlafen haben wir ausschließlich im Schlafsack neben dem Auto.

 

„Freunde sind diese rar gesähten Leute, die uns fragen, wie es uns geht und dann unsere Antwort abwarten.“